Mister „Total Cost of Ownership”

Total-Cost-of-Ownership ist der Schlüssel zu mehr Effizienz

Es wird zu viel über Energieeffizienz geredet und zu wenig danach gehandelt, sagt Still-Vertriebsgeschäftsführer Thomas A. Fischer im dhf-Exklusiv-Interview.
Warum die Total-Cost-of-Ownership-Betrachtung der Schlüssel zu mehr Effizienz ist, was sich hinter Future Efficiency verbirgt und welche Ausstattung sich beim Stapler immer rechnet – der Still-Manager spricht Klartext.

„Es wird zu viel über Energieeffizienz geredet und zu wenig danach gehandelt”, sagt Vertriebsgeschäftsführer Thomas A. Fischer bei der STILL GmbH in Hamburg

Herr Fischer, Still ist der erste Hersteller mit einem Hybridstapler in Serienproduktion. Wie kommt der Hybrid an?

Fischer: Logistikdienstleister wie die Hamburg Port Authority, DB Schenker und Kühne & Nagel oder der Entsorger Alba Nord, alle Kunden, die den RX 70 Hybrid im Einsatz haben, sind begeistert. Im Vergleichstest bei Kühne & Nagel hat der RX 70 Hybrid zum Beispiel mit Abstand am besten abgeschnitten und der K&N-Technikleiter in Hannover hat kürzlich gesagt, dass sogar seine Staplerfahrer mittlerweile Fans sind. Das macht uns stolz und bestätigt uns. Trotzdem würde ich mir wünschen, dass der Markt mutiger in das Thema Energieeffizienz einsteigt. Lassen Sie es mich so sagen: wir könnten viel mehr Hybridstapler bauen.

Energie wird immer teurer, und Energieeffizienz ist das Schlagwort der Stunde. Der RX 70-30 Hybrid hat beim IFOYTesttag im März „Spitzenwerte“ beim Verbrauch eingefahren und die komplette Konkurrenz hinter sich gelassen. Die Kunden müssten Schlange stehen.

(Herr Fischer lacht): Allein schon dafür sind wir dankbar, dass es den IFOY Award (Anmerkung der Red: International Forklift Truck of the Year) gibt. Ich glaube, es wird zu viel über Energieeffizienz geredet und zu wenig danach gehandelt. Ich bin froh, dass die Medien das Thema nun stärker treiben und in die Fachöffentlichkeit tragen.

Die STILL-Stapler der Baureihe RX 70-80

Woher kommt die Zurückhaltung bei neuen Technologien?
Liegt es am Preis oder an der Technologie?

Still hat in den 50er Jahren den ersten dieselelektrischen Gabelstapler auf den Markt gebracht, und wir beherrschen diese Technologie. Sie ist technisch ausgereift, absolut sauber – da tropft kein Hydrauliköl – verschleißfrei und das Beste, was der Markt gerade zu bieten hat. Andere Antriebstechniken haben es da sehr viel schwerer. Richtig ist, dass ein Hybridstapler etwa 15 bis 20 Prozent mehr in der Anschaffung kostet als ein herkömmliches Modell, was sich aber bei einem durchschnittlichen Einsatz nach spätestens zwei Jahren amortisiert hat. Seit 20 Jahren diskutieren Experten über die Total-Costof-Ownership-Betrachtung (TCO) als Schlüssel für mehr Effizienz. Es ist bekannt, dass durchschnittlich nur 20 Prozent der Investitionskosten im Einkaufspreis liegen. Trotzdem
ist der TCO-Ansatz viel zu wenig verbreitet und die Bereitschaft, am
Anfang mehr zu investieren, nicht hoch genug.

Seit 20 Jahren diskutieren Experten über die Total-Cost-of-Ownership-Betrachtung (TCO) als Schlüssel für mehr Effizienz

Kann es wirklich so banal sein?

Manchmal sind die Ursachen banal. Der Einkauf wird zu oft allein an niedrigen Einkaufskosten gemessen. Die hohen Betriebskosten, die im schlimmsten Fall nicht einmal transparent sind, laufen dann an anderen Stellen auf. Ich glaube, da muss noch viel geschehen.

Welche Kennzahlen sollte ein Logistikleiter für seine Staplerflotte
immer parat haben?


Die wichtigste Kennzahl sind die Gesamtkosten über die gesamte Produktlebensdauer, also Einkaufskosten und Betriebskosten, die Umschlagleistung und der Energieverbrauch. Vor allem der Verbrauch wird unterschätzt. Wir könnten natürlich damit werben, dass unsere RX-Stapler bis zu 50 Prozent weniger Energie verbrauchen, aber das wäre ein akademischer Wert und viel zu kurz gesprungen. Wir bieten deshalb unseren Kunden individuelle Tests mit unseren direkten Wettbewerbsgeräten an und rechnen die Betriebskosten auf die Lebenszeit der konkreten Anwendung hoch.

STILL präsentierte die Neuzugänge der R70-Familie, die neuen Verbrenner der Baureihe RX 70-60/80 und RX 70-40/50

Still definiert die optimale Umschlagleistung als Kombination aus Kraft, Präzision, Kompaktheit, Ergonomie und Sicherheit unter Berücksichtigung der Umweltfreundlichkeit. Erklären Sie uns diesen Ansatz?

Die absoluten Messwerte sind nur eine Seite der Medaille. In der Realität erreichen Sie die beste Umschlagleistung nur dann, wenn diese sechs Aspekte in Ihrem konkreten Fall intelligent zusammenspielen. Wir nennen das Future Efficiency – sozusagen eine moderne Bedarfsanalyse beim Kunden.


Geben Sie mir ein Beispiel.


Für manche Unternehmen steht Kraft und Kompaktheit absolut im Mittelpunkt, also höchste Umschlagleistung bei geringstem Verbrauch. Andere legen ihr Hauptaugenmerk allein auf einen zufriedenen Fahrer. und für Dritte zählt wieder nur der CO2-Ausstoß. Wir errechnen für jede individuelle Anforderung eine maßgefertigte, innerbetriebliche Logistiklösung und optimieren das intelligente Zusammenspiel von Gabelstaplern, Lagertechnik, Software, Dienstleistungen und Service. Ich greife mal die Kompaktheit heraus: Lagerfläche kostet Geld. Je geringerdie Arbeitsgangbreiten, desto höher die Flächenproduktivität. Hier könnte man sehr viel Geld sparen, aber wer misst heute schon die Kompaktheit der Flurförderzeuge in Relation zur Lagerverdichtung? Future Efficiency tut genau das.

Letztlich zählen immer harte Fakten. Die weichen oder indirekten Effekte wie Ergonomie lassen sich schwer in harte Zahlen fassen. Wie rechnen Sie zum Beispiel den Nutzen von Ergonomie vor?

Das Thema Ergonomie halte ich für gesetzt. Ich kenne heute kaum noch Entscheider, bei denen der Fahrer und die Akzeptanz der Fahrzeuge keine Rolle spielen. Ich würde sagen, es fließt zu mindestens 20 Prozent in die Entscheidung mit ein, weil Ergonomie und Sicherheit auf die Motivation und die Produktivität wirken. Fühlt sich der Fahrer sicher, nutzt er die Leistung eines Staplers effizienter. Ist der Stapler ergonomisch, verfügt er über ein professionelles Ablagesystem und intuitiv angeordnete Bedienelemente oder einen medizinischen Sitz, dann ist ein Fahrer auch nach Stunden noch motiviert und konzentriert. Das sind oft Kleinigkeiten, die sich aber in Summe geldwert auszahlen. Auch das berücksichtigt Future Efficiency.


Wie groß schätzen Sie das Potenzial der Fahrerergonomie für den Logistiksektor?

Einer Booz+Allen-Studie zufolge liegt in deutschen Unternehmen der jährliche Produktivitätsausfall bei 129 Milliarden Euro durch kranke Arbeitnehmer. Im Logistikbereich kennen die Unternehmen die krankheitsbedingten Arbeitsausfälle infolge von Wirbelsäulen- und Gehörschäden sehr genau. Dieses Potenzial zur Kostensenkung steht aber noch nicht ausreichend im Fokus. In Frankreich zum Beispiel ist man da sehr viel weiter. Dort nimmt der Gesetzgeber die Unternehmen in die Pflicht, die Arbeitsbedingungen optimal auszugestalten. Ich würde mir das auch in Deutschland wünschen.

Es gibt einen Richtwert, dass jeder Euro, der in betriebliche Prävention investiert wird, sich für die deutsche Volkswirtschaft mit mindestens fünf und bis zu 16 Euro auszahlt. Anders gefragt: jeder Euro, der in Staplerergonomie investiert wird, bringt dem Unternehmen mindestens...?

Ich kenne zwar keine Untersuchung, würde aber für die Intralogistik auch bis zu 16 Euro schätzen. Je härter der Einsatz ist, desto höher die Zahl.

Mit den Staplern lassen sich auch bei schweren Transporten äußerst geringe Gangbreiten von unter fünf Metern realisieren

Durch welche Ausstattung an einem Stapler können die Unternehmen am meisten sparen?

Ganz einfach: das Energiesparprogramm Blue-Q und Fleet-Data-Services. Die Flottenmanagement-Software, FleetManager 4.x, von STILL zum Beispiel birgt unter anderem die Funktion eines Unfallrekorders. Alleine die bloße Existenz reduziert Unfälle um mindestens 20 bis 30 Prozent. Bevor man sich für eine konkrete Ausstattung entscheidet, rate ich immer dazu, die Daten auf den Tisch des Hauses zu legen. Vielen Unternehmen fehlt es an Transparenz und Entscheidungsgrundlagen, was ich für eine der Hauptursachen für Fehlinvestitionen halte. Welche Gewaltschäden habe ich? Was kostet mich ein Stapler täglich, monatlich und jährlich im Betrieb? Wo habe ich tatsächlich Handlungsbedarf?

Bei wie vielen Jahren liegt im Schnitt die wirtschaftlichste Wiederbeschaffungsgrenze für einen Stapler?


Im normalen Ein-Schicht-Betrieb rechnet man bei Gegengewichtstaplern etwa acht bis zehn Jahre. Im Dreischichtbetrieb würde ich die durchschnittliche Einsatzzeit bei fünf, sechs Jahren sehen, bei kleinen Lagertechnikgeräten entsprechend weniger. Neben der Nutzungsdauer und -intensität sind natürlich auch Innovationszyklen entscheidend, die einen früheren Austausch sinnvoll machen können (siehe Hybridstapler).

Der Fahrer hat einen rundum guten Durchblick durch die großen Sichtfelder

Viele Stapler sind uralt und immer noch im Betrieb. Spart der Unternehmer nun mit einem solchen Uralt-Stapler oder zahlt er drauf?

Er zahlt natürlich klar drauf, und das ist genau diese Frage der Transparenz. Auf der einen Seite freut man sich über das abgeschriebene Gerät, auf der anderen zahlt man enorme Summen für Reparaturen, Verbrauch, Ausfallzeiten, fehlende Umschlagleistung. Solange man Betriebskosten von Erstinvestition entkoppelt, solange zahlen Unternehmen bei Staplern drauf.

Welche Technologie wird den Stapler der Zukunft antreiben?


Die Hybridtechnologie wird die größte Rolle spielen, gefolgt von Lithium-Ionen und der Brennstoffzelle. Die Brennstoffzelle hat großes Potenzial, es wird aber abhängig davon sein, wie sich die Mineralöl-konzerne und die Automobilindustrie in dieser Frage positionieren.

Herr Fischer, vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Anita Würmser, freie Journalistin, Gründerin und Jury-Vorsitzende der Logistik Hall of Fame sowie geschäftsführende Jury-Vorsitzende des IFOY Award.

Quelle: Sonderdruck aus dhf Intralogisitk 4 + 5.2013

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